TGIFW Foundation Jahresbericht 2021

Ein Rückblick auf das Jahr 2021 und die sozialen Engagements von TGIFW sowie eine Geschichte zum kürzlichen Besuch in Nepal.
Im Frühling 2021 war Corona in Nepal bittere Realität. Die DELTA-Variante überrollte das Land. Die Krankenhäuser waren massiv überlastet, Sauerstoff ein rares Gut. Familienangehörige zahlten Höchstpreise auf dem Schwarzmarkt, um an Sauerstoff oder andere dringend benötigte Medikamente zu gelangen. Viele Menschen starben – darunter auch viele junge Menschen.
Die Situation hat uns bei TGIFW sehr betroffen gemacht. Wir wussten, Sauerstoff ist dringend benötigt. Doch wie sollen wir ein Spital mit einer Sauerstoffanlage ausrüsten? Wir haben keinerlei medizinischen Background. Es schien eine Mammut-Aufgabe. Doch mit dem richtigen Team, hoher Motivation und Menschen, die an uns glauben, ist alles zu erreichen. Am 18. Mai 2021 starteten wir unseren Crowdfunding-Aufruf. Über 100 Menschen folgten diesem.
Anvertraute Mittel
Via wemakeit, der Crowdfunding-Plattform, und via persönliche Überweisungen erreichten uns total netto CHF 21700.- innert eines Monats. Die Mittel wurden wie folgt eingesetzt:
Finanzierung von 1/3 der Sauerstoffanlage CHF 16500.00
Nahrungsmittel für Familien, Stories of Nepal CHF 3700.00
Nahrungsmittel für alleinerziehende Frauen, Women’s Foundation CHF 1000.00
Nahrungsmittel für Frauen der Pilzfarm CHF 500.00
In diesen Beträgen sind die Spesen für Banküberweisungen sowie der Provision an die Crowdfunding-Plattform bereits abgezogen.
Die Sauerstoffanlage wurde durch zwei Spendenkampagnen finanziert. Durch unsere eigene und die Crowdfunding-Kampagne eines Teammitglieds in den USA. Zudem kamen Spenden in Nepal vor Ort und durch das Spital selbst zusammen.
Die Sauerstoffanlage musste von Indien her importiert werden, was in sich eine nicht ganz einfache Aufgabe war. Im September war es dann soweit und die Sauerstoffanlage kam in Kathmandu in der Chhetrapati Free Clinic an (Video). Die Zimmer waren bereits im Frühling / Sommer eingerichtet worden und die notwendigen Leitungen für den Sauerstoff wurden verlegt. In Nepal ist es zudem üblich, dass eine solche Investition von einem Regierungsmitglied feierlich eingeweiht wird. Ein Foto der Zeremonie findet ihr nachfolgend.
Im Oktober 2021 durften wir endlich wieder selbst nach Nepal reisen und wir konnten uns die Sauerstoffanlage vor Ort anschauen und mit der Spitalleitung das ganze Spital besuchen. Es war sehr eindrücklich, zu sehen welch grossartige Arbeit die Chhetrapati Free Clinic leistet. Wie der Name sagt, arme Menschen werden in der Klinik kostenlos betreut.
Rund 50 Prozent der Menschen in Nepal, die einer Arbeit nachgingen, verloren im Frühling ihre Anstellung. Ohne Einkommen keine Nahrungsmittel. Eine Arbeitslosenkasse / Erwerbsausfall-versicherung gibt es in Nepal nicht. Wir beschlossen deshalb, die zusätzlichen Mittel für dringend benötigte Nahrungsmittelpakete für arme Familien einzusetzen. Dabei arbeiteten wir mit zwei uns nahestehenden Organisationen zusammen. Der Women’s Foundation in Nepal, welche auch einen Teil unserer Schals produziert, und Stories of Nepal, welche diverse soziale Projekte in schwer zugänglichen Gebieten realisiert. Rund CHF 500.- setzten wir zudem ein, um Frauen zu unterstützen, die in der von TGIFW errichteten Pilzfarm arbeiten. Sie hatten keinerlei Einkommensmöglichkeiten und waren dringend auf Lebensmittel und Hygieneartikel angewiesen.
Die Situation in Nepal heute
Im Oktober war es soweit und nach 2,5 Jahre Pause durften wir endlich wieder unsere Familie in Nepal besuchen. Die Reisevorbereitungen waren aufwändig und von Unsicherheit geprägt. Wir wiegelten mehrmals ab und entschieden uns dann doch, den Flug zu wagen. Heute sind wir sehr dankbar, haben wir das gemacht. Gerade auch für unseren Sohn, bald drei Jahre alt, war es ein ganz besonderes Erlebnis und er hat viele Beziehungen geknüpft und vertieft und seine zweite Heimat ganz bewusst erfahren. Oktober ist normalerweise Hauptsaison. Doch ich war eine der ganz wenigen Weissen, die sich in Kathmandu bewegten. Wirtschaftlich hat Corona Nepal ebenfalls schwer getroffen. Unzählige Restaurants und Läden sind geschlossen. Überall hängen Schilder «zu vermieten, zu verkaufen». Viele unserer Freunde und Geschäftspartner haben Mühe, über die Runden zu kommen, die Mieten zu bezahlen – das Einkommen fehlt an vielen Ecken und Enden. Auch die Anzahl der Bettler und Strassenkinder hat sichtbar zugenommen. Und Corona hat auch viele Schicksalsschläge hinterlassen. Viele haben wir kennengelernt, die unzählige Familienmitglieder an Corona verloren haben. Die Schuldenberge sind hoch, die Situation scheint irgendwie hoffnungslos. Und trotzdem, und das ist das Schöne, die Resilienz der Nepalesen ist bewundernswert. Jeder Tag wird genossen, der Augenblick gelebt, alles mit Achtsamkeit angenommen und dann einfach Schritt für Schritt vorangegangen. Irgendwie geht es eben weiter. Niemand, der sich Sorgen über zukünftige Dinge macht, die jetzt gar nicht Realität sind. Keiner, der verzweifelt, keiner, der Wut entwickelt, keiner, der die Schuld bei irgendwem sucht. Vielleicht weil man es sich viel mehr gewohnt ist, mit Ausnahmesituationen umzugehen. Ich denke zurück an den Bürgerkrieg oder das Erdbeben, welches auch ich vor Ort erlebte.
Ich wünsche mir für uns hier, dass wir uns bewusster darüber werden, in welch ausgeprägt luxuriösen Situation wir uns befinden. Und dass es uns gelingt, jeden Tag achtsam zu begegnen und die schönen Momente zu geniessen. Und Liebe und Verständnis füreinander aufzubringen. Statt Druck auszuüben und anzuklagen. Wir müssen es schaffen, in Konfrontation zu gehen, ohne den Respekt füreinander zu verlieren. Auf Augenhöhe, mit einer grossen Portion Liebe. Lösungsorientiert, gemeinsam statt gegeneinander. So viel zu meinen Neujahrswünschen fürs 2022.
Besuch der Klinik
Im Oktober besuchten wir die Chhetrapati Free Clinic. Die Spitalleitung nahm sich viel Zeit für uns, um unser Team durch die Klinik zu führen. Das Spital ist ein von Spenden finanziertes Spital, welches für arme Menschen kostenlose Behandlung ermöglicht. Jedes Zimmer, jedes Gerät in jeder Abteilung, alles ist durch Spenden von internationalen Organisationen oder reichen Nepalesen finanziert worden. Überall hängen Spendendankestafeln mit Namen und Gesichtern. Das Spital ist modern ausgerüstet und hat mit grossem Stolz die Sauerstoffanlage in einem neu errichteten Raum eingerichtet. Die Intensivbetten wurden neu beschafft, die Sauerstoffleitungen zur Anlage gelegt. Damit ist die Chhetrapati Free Clinic einer der am besten ausgerüsteten Spitale in der Region, wenn es um Corona oder andere Lungenkrankheiten geht. Im Moment ist die Situation vor Ort ruhig. Glücklicherweise. Doch die Impfrate ist immer noch gering, da die dringend benötigten Impfstoffe nur schleppend in das arme Land kommen. Neue Mutationen verunsichern die Situation nun zusätzlich. Zudem haben schwere Lungenkrankheiten generell zugenommen in Nepal, da die Luftverschmutzung in Kathmandu leider sehr ausgeprägt ist. Nun ist das Spital gerüstet für die Zukunft und ermöglicht Leben. Dank euch allen!
Eindruck aus Bhaktapur
Ein kurzer Reisebericht – abseits vom Crowdfunding - geschrieben im Oktober 2021 in Nepal.
Heute in Bhaktapur habe ich es sehr genossen. Die Stadt strahlt eine gewisse Ruhe aus und ich mag die alten Bauten, die Tempelanlagen und die traditionellen Backsteinhäuser mit den schönen, verzierten Holzfenstern und Türen. Auch das typische newarische Essen habe ich sehr genossen. Sogar Sohnemann fand es toll – auch wenn etwas scharf für seinen Geschmack.
Vier Westler habe ich gesehen. Gestern waren es drei bei der Umrundung meiner geliebten Stupa. Und das zur Hauptsaison-Zeit. Wenn eigentlich das Geschäft florieren sollte. Corona hat auch hier allen einen deftigen Strich durch die Rechnung gemacht. Nun geht es bald schon zwei Jahre so. Die Hotels sind leer, die Trekkingrouten unbesucht, viele Cafés sind geschlossen, unzählige Shop-Inhaber wissen nicht, wie sie die nächste Miete bezahlen sollen.
Wir haben auf dem Markt ein paar handgemachte Tonsachen gekauft und ich habe Munu gesagt, es sei wichtig, in verschiedenen Shops einzukaufen. Man soll sein Geld verteilen – das hat mich mal ein Reisender vor vielen Jahren gelehrt. Und ich blieb diesem Grundsatz seit jeher treu. Es ist schön, wenn alle ein bisschen etwas haben. Viel besser, als wenn einer viel hat und die anderen nichts.
Auf dem Weg in ein Café kamen wir in einer verwunschenen Gasse an einer kleinen Galerie vorbei. Die mit Öl- und Wasserfarben gemalten Bilder haben mich sofort magisch angezogen. Ich kenne diese kleinen Kunstgalerien aus Nepal und nie hatte ich im Sinn, ein Bild zu kaufen – nicht seit ich das erste Mal 2006 hierhergekommen bin. Heute schauten wir uns die Bilder an und auf gutes Zureden hin vom Verkäufer, gingen wir auch hinein in die Galerie. Er war sympathisch, zurückhaltend und interessiert zugleich. Auch er einer der Künstler der wunderschönen Bilder. Wir schauten uns die Kunstwerke an und ich verliebte mich in ein Bild einer Landschaft mit einem Haus darauf. Es erinnert mich an einen Ort hier in Nepal, an dem ich schon oft war – auf dem Lande. Ein zweites Bild kam dazu, wir wägten ab, schauten verschiedenes an und irgendwann sagte ich, diese beiden nehme ich. Er war verwundert. Sagte seinen Preis, den ich nicht verhandelte. Dann gab ich ihm das Geld in die Hand. Seine Reaktion war – unüblich. Er starrte das Geld an, nahm es fast zitternd und dann sah ich, dass er Tränen in den Augen hatte. Es hat mich total getroffen. Er schaut mich an und sagt, mein erstes Geschäft, seit Monaten.
Da hatte auch ich Tränen in den Augen und sagte ihm, ich wünsche ihm von Herzen, dass es ab sofort wieder aufwärts geht.
Bilder
Weitere Informationen
Stories of Nepal: http://www.storiesofnepal.com/
Spendenaktion Stories of Nepal: https://chuffed.org/project/stories-of-nepal?fbclid=IwAR2yI9wvn0RSLLRn0f52VIjth-jOy58zYeObA9h-EgN-LQBXWHfSFbzK8Is
Women’s Foundation: https://www.womenepal.org/category/blog/
TGIFW: https://www.tgifw.com/de/
Vergangene Projekte von TGIFW mit Hilfe von Spenden / Crowdfundings
Gründen einer Pilzfarm, April 2021
https://www.tgifw.com/de/blog/tgifw-investiert-in-eine-pilzfarm-in-nepal-b72.html
Unterstützung eines Kindergartens während Corona, Oktober 2020
https://www.tgifw.com/de/blog/crowdfunding-fuer-den-kindergarten-in-nepal-b58.html
Unterstützung unserer Produzenten und Nahrungsmittel für arme Familien, Frühling 2020
https://www.tgifw.com/de/blog/die-wirkung-unseres-crowdfundings-b54.html
Herzlichen Dank für deine Unterstützung im 2021. Wir wünschen dir einen guten Jahresabschluss und bald ein gesundes, glückliches neues Jahr.
Carmen Lama, für TGIFW im Dezember 2021